Vision – Der Organismus

Mein Weingut versteht sich als ganzheitlich orientiertes Lebens- und Arbeitsexperiment mit Natur, Kunst und Eseln. Nie ging es um den Wein alleine. Das wäre lächerlich wie jede Monokultur. Noch weniger ging es um irgend ein profitorientiertes Geschäftskonzept oder die Herstellung eines prestigeträchtigen Repräsentationsprodukts.
Vielmehr sollte und soll es das und die zusammenzuführen, die in einem Spannungsfeld der Vielfalt, ihre Hand nach den Wurzeln ihrer eigenen kulturellen Herkunft ausstrecken wollen um dadurch Veränderung in sich selbst und in ihrer Gesellschaft einzuleiten in dem sie mitwirken, etwas aussergewöhnliches zu produzieren. Einem im Einklang mit der Natur gekelterten Wein. Schließlich handelt es sich beim Wein um eines der avanciertesten Produkte landwirtschaftlichen Ursprungs. Das für mich von Beginn an auf Partizipation ausgerichtete Bioweingut sollte Teil und Kristallisationspunkt meiner “Verwurzelungsidee” sein. Anders als der Weinstock spaziert die individuelle Verwurzelung, mit ihrer beweglichen Wirtspflanze, dem Menschen durch die Welt. Die geerdeten Rahmenbedingungen in Form von selbst verwaltetem, bestelltem und durch Pflanzen und Tiere belebtem Land besitzen hingegen nicht transferierbaren, singulären Charakter. Das Wesen sesshafter Landwirtschaft in einer mobilen Welt.
Dieser Charakter bestimmt die möglichen menschlichen Lebensformen auf und mit diesem Land. Konzepte dieser Lebensformen können zu ganzheitlichen Leitbildern mit breiterer Akzeptanz werden. Nicht holistisch orientierte Konzepte haben mich nie interessiert und sind angesichts der verheerende Lage der Welt ein grausames Fossil aus vergangenen Zeiten. Das kleine Bioweingut bespielt in meiner Idee daher zwei Landschaften im selben Terroir: Der Soziokultur und der Agrikultur. Beide sollten sich ausschließlich wichtigen Dingen widmen. Beide verbinden durch die in ihnen erbrachte Arbeit, Körper, Geist, Gefühl und Seele. Den Rest überlassen sie dankend dem Rest. Was ist also wirklich wichtig? Durch Verbundenheit Durchdrungenheit zu empfinden. Tiefes Erkennen und tiefste Freude. Beide schenken uns jene Liebe zum Leben, die uns davon abhält unsere eigene und einzige Welt weiter auszubeuten und zu zerstören.
Wichtig ist, was uns das Wesen unseres Seins und das der Welt in der wir aufgrund unserer bloßen Existenz mitgestaltender Weise leben, zerstörungsarm, ressourcensparend und lebensbejahend besser begreifen lässt. Daher ist es auch eine Selbstverständlichkeit und kein elitärer Luxus biologisch, im bestmöglichen Einklang mit der Natur zu wirtschaften, auch wenn es sich dabei ebenfalls nur um eine Annäherung an ein fernes Ideal handelt. Denn Landwirtschaft ist immer eine Kultur und keine Naturleistung. Wichtig ist es zu erkennen, dass jedes Begreifen eines größtmöglichen Wahrnehmungsraums bedarf, den es sich nötigenfalls gemeinsam zu erschaffen gilt, denn implodierende Gesellschaften neigen zum Zwecke des eigenen Systemerhalts dazu, die Wahrnehmungsräume seiner Mitglieder vielfältig einzuschränken und durch manipulative Erlebnisräume zu ersetzen.
Wichtig ist es zu sehen, dass jeder kollektivierbaren Erkenntnis eine zutiefst individuelle Einsicht und Sinndurchdrungenheit zugrunde liegen sollte und nicht umgekehrt.
Wichtig ist die Bereitschaft neuem, als auch über lange Zeiträume der Menschheits- und Kulturgeschichte hervorgebrachtem Wissen einen tatsächlichen Gestaltungsspielraum in unserer Gesellschaft einzuräumen zu wollen und dadurch die Basis für nachhaltige Zukunftskonzepte zu fundamentieren. Der verantwortungsbewusste und liebevolle Umgang mit der Natur wird schon in naher Zukunft eine Schlüsselrolle für die weitere menschliche Entwicklung spielen. Es ist daher keineswegs egal was für einen Wein und welches Wasser wir trinken.
Es gibt viele mögliche Kristallisationspunkte für derartige Ideen und Zielsetzungen. Im Kleinen und im Großen. Den Weinbau als Jahrtausende alte Kulturtechnik mit heutigem Wissen im Beisein archaischer Esel im kleinen Stil fortzuführen empfinde ich als eine ungewöhnlich schöne Kristallisationsmöglichkeit. Wenig ist wichtiger als die Schönheit. Sante! Darum geht es. Wem das zu weit geht, trinkt einfach ein Glas feinen Weins. Auch gut.